Thermography image of a group of students

Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet „Recycling von Elastomeren“

Kontakte

Prof. Dr. Volker Herrmann

Motivation

Bild 1: Zusammenhang der weltweiten Produktion von Automobilen und Naturkautschuk (aus: Türk, O., „Stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe“, Springer Fachmedien Wiesbaden 2014).
Bild 1: Zusammenhang der weltweiten Produktion von Automobilen und Naturkautschuk (aus: Türk, O., „Stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe“, Springer Fachmedien Wiesbaden 2014).

Vor dem Hintergrund endlicher Rohstoffreserven, zunehmender CO2-Belastung und steigender Müllberge ist das Thema Recycling so aktuell wie nie zuvor, insbesondere bei dem derzeitigen international steigenden Automobilaufkommen (Bild 1). Der Anteil an Altreifen, welcher keine Weiterverwendung durch Export, artfremde Verwendung oder Runderneuerung findet (sogenannte „End-of-life-tires“), liegt in Europa bei etwa 3 mio to pro Jahr, Tendenz auch hier steigend. Geschlossene Stoffkreisläufe aus Post-Consumer-Abfällen sind ein Idealziel, welches in einigen wenigen Bereichen der Kunststoffindustrie bereits Realität geworden ist (Duales System, Fensterprofile, Kunststoffrohre, Getränkeflaschen, Automobilstoßfänger etc…). Während stoffliches Wiederverwerten und erneute Formgebung bei thermoplastischen Kunststoffen durch die Möglichkeit des Aufschmelzens prinzipiell gegeben sind, lassen sich Elastomere aufgrund der chemischen Vernetzung der Molekülketten auf diese Weise nicht wieder formgeben. Die stoffliche Wiederverwertung von Elastomeren gestaltet sich demnach schwieriger, sie ist aber nicht unmöglich und wird bereits in weiten Teilen praktiziert. Im Vergleich zur Kunststoffbranche, bei der die thermische Verwertung (Verbrennen) momentan noch überwiegt (Bild 2), kann sich sogar bereits jetzt der prozentuale Anteil an Wiederverwertung inklusive Runderneuerung von Altreifen in Deutschland durchaus sehen lassen und ist auch weiterhin zunehmend. Bei der reinen stofflichen Verwertung werden Gummiprodukte zu Granulaten und Gummimehl zerkleinert und als Zuschlagstoffe in Kautschukmischungen eingearbeitet. Dieser Prozess wird häufig mit dem Begriff „Downcycling“ dargestellt und beschreibt die Tatsache, dass die entstandenen Produkte minderwertiger Art sind und nur für einen Einsatz in Frage kommen, bei dem keine kritischen Anforderungen gestellt werden (Fallschutzmatten, Böden für Sportplätze, Gummibodenbeläge, Antirutsch-Unterlagen, etc…).

Bild 2: Vergleich der Recyclingraten zwischen Kunststoffen allgemein und Altreifen in Deutschland (aus: N.N., „European Tyre & Rubber Industry – Statistics – Edition 2013“, European Tyre and Rubber manufactor´s association ETRMA, 2013 und N.N., „BVSE fordert Einleitung der „Rohstoffwende““, K-Zeitung, 15 (2.8.2013) S. 3.
Bild 2: Vergleich der Recyclingraten zwischen Kunststoffen allgemein und Altreifen in Deutschland (aus: N.N., „European Tyre & Rubber Industry – Statistics – Edition 2013“, European Tyre and Rubber manufactor´s association ETRMA, 2013 und N.N., „BVSE fordert Einleitung der „Rohstoffwende““, K-Zeitung, 15 (2.8.2013) S. 3.

Vorhaben

In eigenen Untersuchungen wird die Wirkung von Gummimehlpartikeln in Kautschukmischungen analysiert. Hierbei stehen die Auswirkungen auf die mechanischen Eigenschaften im Vordergrund. Es soll die Wechselwirkung der Gummimehlpartikel mit der Kautschukmatrix untersucht werden mit dem Ziel, Erkenntnisse die zur Verbesserung der Eigenschaften des Endproduktes führen können, zu gewinnen, um so einen ersten Schritt in die Richtung vom „Downcycling“ zum „Upcycling“ aufzuzeigen. Durch die pauschale Forschungsförderung und finanzielle Unterstützung der Deutschen Kautschuk-Gesellschaft (DKG) ist ein nachhaltiges und langfristiges Engagement auf diesem Gebiet, welches mit zunehmender Zeitdauer an Aktualität vermutlich zulegen wird, möglich. Mit Hilfe von Abschlussarbeiten (Diplom-/Bachelor und Masterarbeiten) unterstützen Studierende diese Tätigkeiten durch ihre Arbeiten in den Laboren des Studiengangs und werden somit frühzeitig mit dieser wichtigen Thematik konfrontiert. Erste Erkenntnisse wurden bereits durch nachfolgende studentische Arbeiten gewonnen.

Durchgeführte studentische Arbeiten

Schulz, A., „Untersuchung zur Eignung von Gummimehl als Additiv in Kautschukmischungen“, Diplomarbeit, Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, Studiengang Kunststoff- und Elastomertechnik, 2014

Heinrich, A., „Untersuchungen zur Modifikation von Gummimehlen im Hinblick auf deren Kompatibilität mit einer Kautschukmischung zur Optimierung der daraus resultierenden Vulkanisate“, Diplomarbeit, Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, Studiengang Kunststoff- und Elastomertechnik, 2014

Breitkopf, M., „Untersuchungen zum Einfluss von Recyclat in einer FKM-Mischung im Hinblick auf Werkstoff- und Verarbeitungseigenschaften“, Diplomarbeit, Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, Studiengang Kunststoff- und Elastomertechnik, 2014

Hintermayr, F.-X., „Untersuchung zu intelligenten Materialrückführungsstrategien zur Optimierung der wirtschaftlichen Produktionseffektivität in der Dichtungstechnologie“, Diplomarbeit, Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, Studiengang Kunststoff- und Elastomertechnik, 2015

Blank, A., „Untersuchung zum Dehnungsverhalten von Elastomeren mit Gummimehlpartikeln“, Diplomarbeit, Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, Studiengang Kunststoff- und Elastomertechnik, 2016

Speyer, Y., „Untersuchung des Einflusses von Gummimehl in Elastomeren auf den Payne-Effekt“ , Diplomarbeit, Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, Studiengang Kunststoff- und Elastomertechnik, 2016

Wekerle, A., „Untersuchungen zum Dehnungsverhalten von Elastomeren mit modifiziertem Gummimehl“, Bachelorarbeit, Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, Studiengang Kunststoff- und Elastomertechnik, 2017

Suhl, L., „Konzept und Aufbau einer dynamischen Indentationsmessung“, Projekt- und Masterarbeit, Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, Studiengang Kunststoff- und Elastomertechnik, 2018

Hammer, R., „Untersuchungen zur Vernetzungsdichte von Elastomeren mit und ohne Gummimehl“, Bachelorarbeit, Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, Studiengang Kunststoff- und Elastomertechnik, 2019

Prawitz, S., „Entwicklung einer Methode zur vergleichenden Messung der Vernetzungsdichte von Elastomeren mittels Quellverfahren“, Bachelorarbeit, Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, Studiengang Kunststoff- und Elastomertechnik, 2019

Neckermann, T., „Numerische Simulation der Schwefeldiffusion in einer Gummimatrix“, Masterarbeit, Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, Studiengang Kunststoff- und Elastomertechnik, 2019

Werner, D., „Untersuchungen zum Einsatz von nicht sortenreinem Gummimehl in Kautschukmischungen: SBR-Mehl in einer NR-Matrix“, Bachelorarbeit, Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, Studiengang Kunststoff- und Elastomertechnik, 2020

Maslowski, Th., „Untersuchungen zum Einsatz von nicht sortenreinem Gummimehl in Kautschukmischungen: NR-Mehl in einer SBR-Matrix“, Bachelorarbeit, Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, Studiengang Kunststoff- und Elastomertechnik, 2020

Viering, A., Ruhl, M., Schülein, T., Dilje, E., Schidt, A., „Machbarkeitsstudie zum Recycling von Autoreifen mittels Wiederverwertung von Gummimehl“, Kooperationsprojekt, Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, Studiengang Kunststoff- und Elastomertechnik, 2020

Erste Ergebnisse

Die ersten Ergebnisse konnten bereits auf der International Rubber Conference irc2015 in Nürnberg vorgestellt werden. So wurden anhand von Gummimischungen, denen LKW-Gummireifenmehle aus Altreifen (Bild 3) zugesetzt wurden, deutliche Eigenschaftseinbußen (niedrigere Härte, niedrigere Zugfestigkeiten, höhere Abriebwerte) verifiziert. Der Grund für diese niedrigere Produktqualität scheint in der Wechselwirkung der Mehlpartikel zur umgebenden Kautschukmatrix zu liegen und ist im Fokus derzeitiger weiterer Untersuchungen. Wie mittels dynamischer Indentation und lokaler Röntgenfluoreszenz gezeigt werden konnte, verarmt bei der Zugabe von Gummimehl die Kautschukmatrix offenbar an Vernetzungsmittel Schwefel, wodurch niedrigere Härten der Rezyklatmischung entstehen (Bild 4). Durch diesen Befund lassen sich auch die oben genannten Eigenschaftseinbußen erklären. Mittlerweile konnte verifiziert werden, dass die Ursache für diesen Effekt die Diffusion von Schwefel in die Gummimehlpartikel ist. Mit Hilfe der FEM kann die Diffusion simuliert und mögliche Schwachstellen erkannt werden. Um weitere relevante Ergebnisse zu erhalten, werden teilweise neue Messmethoden und Prüfgeräte entwickelt wie z.B. die Methode der ortsaufgelösten, dynamischen Indentation (Bild 5). Eine Übersicht der bisherigen Ergebnisse ist auf dem folgenden Poster dargestellt.

Bild 3: REM-Aufnahmen von kalt und warm gemahlenem LKW-Reifenmehl (351-fache Vergrößerung); es handelt sich um eine 3D-Aufnahme die mit rot/grüner 3D-Brille eindrucksvoll dargestellt wird; Aufnahmen von Prof. Dr. J. Leiber, FHWS.
Bild 3: REM-Aufnahmen von kalt und warm gemahlenem LKW-Reifenmehl (351-fache Vergrößerung); es handelt sich um eine 3D-Aufnahme die mit rot/grüner 3D-Brille eindrucksvoll dargestellt wird; Aufnahmen von Prof. Dr. J. Leiber, FHWS.
Bild 4: Dynamische Indentation (komplexe Steifigkeit und Verlustfaktor) und µ-RFA (jeweils rechts) an Elastomeren ohne (oben) und mit (unten) Gummimehlpartikeln. Bildausschnitt jeweils 4 x 4 mm.
Bild 4: Dynamische Indentation (komplexe Steifigkeit und Verlustfaktor) und µ-RFA (jeweils rechts) an Elastomeren ohne (oben) und mit (unten) Gummimehlpartikeln. Bildausschnitt jeweils 4 x 4 mm.
Bild 5: Eigens für die Untersuchung von inhomogenen Elastomeren entwickeltes Prüfgerät: „Dynamic Indentation Tester“
Bild 5: Eigens für die Untersuchung von inhomogenen Elastomeren entwickeltes Prüfgerät: „Dynamic Indentation Tester“
Bild 6: Tim Neckermann bei der Vorstellung seiner Masterarbeit zum Thema „Schwefeldiffusion in Elastomeren“ auf einer DKG-Tagung in Bad Neuenahr im Oktober 2019.
Bild 6: Tim Neckermann bei der Vorstellung seiner Masterarbeit zum Thema „Schwefeldiffusion in Elastomeren“ auf einer DKG-Tagung in Bad Neuenahr im Oktober 2019.

Veröffentlichungen

Herrmann, V., Schulz, A., „Der Einfluss von Lkw-Reifenmehl als Additiv auf die Eigenschaften einer Lkw-Laufflächenmischung“, Gummi Fasern Kunststoffe GAK 69 (2016) 698 – 705

Herrmann, V., Heinrich, A., „Einfluss der Modifikation von LKW-Reifenmehl als Additiv auf die Eigenschaften einer LKW-Laufflächenmischung“, Gummi Fasern Kunststoffe GAK 70 (2017) 30 – 37

Herrmann, V., Heinrich, A., „Influence of the modification of ground truck tyres as an additive on the properties of a truck tread compound“, International Polymer Science and Technology 44 (2017) 88 – 95

Herrmann, V., Speyer, Y., Leiber, J., „Herstellung und Verarbeitung von sortenreinem Gummimehl im Labormaßstab“, Gummi Fasern Kunststoffe GAK 70 (2017) 240 – 247

Herrmann, V., Blank, A., „Dehnungsverhalten von Elastomeren mit Gummimehl“, Gummi Fasern Kunststoffe GAK 70 (2017) 726 – 736

Herrmann, V., Schulz, A., „Influence of ground truck tires as an additive on the properties of a truck tread compound“, Rubber Fibres Plastics RFP, 13 (2018) 250 - 256

Herrmann, V., Hanning, S., Kreyenschmidt, M., „Untersuchungen zur Diffusion des Schwefels in Rezyklat-Kautschukmischungen, Teil 1: Bestimmung des Diffusionskoeffizienten“, Gummi Fasern Kunststoffe GAK 71 (2018) 232 – 241

Herrmann, V., Hanning, S., Kreyenschmidt, M., Wolff, A., Ludwig, D., Ludwig, J., „Untersuchungen zur Diffusion des Schwefels in Rezyklat-Kautschukmischungen, Teil 2: Schwefeldiffusion in Mischungen mit Gummimehl“, Gummi Fasern Kunststoffe GAK 71 (2018) 340 – 349

Herrmann, V., Wekerle, A., „Modification of Ground Rubber with Conventional Fillers by Process Engineering“, Kautschuk Gummi Kunststoffe 72 (2019) 52-58

Neckermann, T., Herrmann, V., „Simulation der Diffusion von Schwefel in Kautschukmischungen mit Gummimehl“, Gummi Fasern Kunststoffe 73 (2020) 242-246