Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet „Recycling von Elastomeren“
Kontakte
Prof. Dr. Volker Herrmann
Motivation
Vor dem Hintergrund endlicher Rohstoffreserven, zunehmender CO2-Belastung und steigender Müllberge ist das Thema Recycling so aktuell wie nie zuvor, insbesondere bei dem derzeitigen international steigenden Automobilaufkommen (Bild 1). Der Anteil an Altreifen, welcher keine Weiterverwendung durch Export, artfremde Verwendung oder Runderneuerung findet (sogenannte „End-of-life-tires“), liegt in Europa bei etwa 3 mio to pro Jahr, Tendenz auch hier steigend. Geschlossene Stoffkreisläufe aus Post-Consumer-Abfällen sind ein Idealziel, welches in einigen wenigen Bereichen der Kunststoffindustrie bereits Realität geworden ist (Duales System, Fensterprofile, Kunststoffrohre, Getränkeflaschen, Automobilstoßfänger etc…). Während stoffliches Wiederverwerten und erneute Formgebung bei thermoplastischen Kunststoffen durch die Möglichkeit des Aufschmelzens prinzipiell gegeben sind, lassen sich Elastomere aufgrund der chemischen Vernetzung der Molekülketten auf diese Weise nicht wieder formgeben. Die stoffliche Wiederverwertung von Elastomeren gestaltet sich demnach schwieriger, sie ist aber nicht unmöglich und wird bereits in weiten Teilen praktiziert. Im Vergleich zur Kunststoffbranche, bei der die thermische Verwertung (Verbrennen) momentan noch überwiegt (Bild 2), kann sich sogar bereits jetzt der prozentuale Anteil an Wiederverwertung inklusive Runderneuerung von Altreifen in Deutschland durchaus sehen lassen und ist auch weiterhin zunehmend. Bei der reinen stofflichen Verwertung werden Gummiprodukte zu Granulaten und Gummimehl zerkleinert und als Zuschlagstoffe in Kautschukmischungen eingearbeitet. Dieser Prozess wird häufig mit dem Begriff „Downcycling“ dargestellt und beschreibt die Tatsache, dass die entstandenen Produkte minderwertiger Art sind und nur für einen Einsatz in Frage kommen, bei dem keine kritischen Anforderungen gestellt werden (Fallschutzmatten, Böden für Sportplätze, Gummibodenbeläge, Antirutsch-Unterlagen, etc…).
Vorhaben
In eigenen Untersuchungen wird die Wirkung von Gummimehlpartikeln in Kautschukmischungen analysiert. Hierbei stehen die Auswirkungen auf die mechanischen Eigenschaften im Vordergrund. Es soll die Wechselwirkung der Gummimehlpartikel mit der Kautschukmatrix untersucht werden mit dem Ziel, Erkenntnisse die zur Verbesserung der Eigenschaften des Endproduktes führen können, zu gewinnen, um so einen ersten Schritt in die Richtung vom „Downcycling“ zum „Upcycling“ aufzuzeigen. Durch die pauschale Forschungsförderung und finanzielle Unterstützung der Deutschen Kautschuk-Gesellschaft (DKG) ist ein nachhaltiges und langfristiges Engagement auf diesem Gebiet, welches mit zunehmender Zeitdauer an Aktualität vermutlich zulegen wird, möglich. Mit Hilfe von Abschlussarbeiten (Diplom-/Bachelor und Masterarbeiten) unterstützen Studierende diese Tätigkeiten durch ihre Arbeiten in den Laboren des Studiengangs und werden somit frühzeitig mit dieser wichtigen Thematik konfrontiert. Erste Erkenntnisse wurden bereits durch nachfolgende studentische Arbeiten gewonnen.
Durchgeführte studentische Arbeiten
Hammer, R., „Untersuchungen zur Vernetzungsdichte von Elastomeren mit und ohne Gummimehl“, Bachelorarbeit, Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, Studiengang Kunststoff- und Elastomertechnik, 2019
Prawitz, S., „Entwicklung einer Methode zur vergleichenden Messung der Vernetzungsdichte von Elastomeren mittels Quellverfahren“, Bachelorarbeit, Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, Studiengang Kunststoff- und Elastomertechnik, 2019
Neckermann, T., „Numerische Simulation der Schwefeldiffusion in einer Gummimatrix“, Masterarbeit, Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, Studiengang Kunststoff- und Elastomertechnik, 2019
Werner, D., „Untersuchungen zum Einsatz von nicht sortenreinem Gummimehl in Kautschukmischungen: SBR-Mehl in einer NR-Matrix“, Bachelorarbeit, Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, Studiengang Kunststoff- und Elastomertechnik, 2020
Maslowski, Th., „Untersuchungen zum Einsatz von nicht sortenreinem Gummimehl in Kautschukmischungen: NR-Mehl in einer SBR-Matrix“, Bachelorarbeit, Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, Studiengang Kunststoff- und Elastomertechnik, 2020
Viering, A., Ruhl, M., Schülein, T., Dilje, E., Schidt, A., „Machbarkeitsstudie zum Recycling von Autoreifen mittels Wiederverwertung von Gummimehl“, Kooperationsprojekt, Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, Studiengang Kunststoff- und Elastomertechnik, 2020
Erste Ergebnisse
Die ersten Ergebnisse konnten bereits auf der International Rubber Conference irc2015 in Nürnberg vorgestellt werden. So wurden anhand von Gummimischungen, denen LKW-Gummireifenmehle aus Altreifen (Bild 3) zugesetzt wurden, deutliche Eigenschaftseinbußen (niedrigere Härte, niedrigere Zugfestigkeiten, höhere Abriebwerte) verifiziert. Der Grund für diese niedrigere Produktqualität scheint in der Wechselwirkung der Mehlpartikel zur umgebenden Kautschukmatrix zu liegen und ist im Fokus derzeitiger weiterer Untersuchungen. Wie mittels dynamischer Indentation und lokaler Röntgenfluoreszenz gezeigt werden konnte, verarmt bei der Zugabe von Gummimehl die Kautschukmatrix offenbar an Vernetzungsmittel Schwefel, wodurch niedrigere Härten der Rezyklatmischung entstehen (Bild 4). Durch diesen Befund lassen sich auch die oben genannten Eigenschaftseinbußen erklären. Mittlerweile konnte verifiziert werden, dass die Ursache für diesen Effekt die Diffusion von Schwefel in die Gummimehlpartikel ist. Mit Hilfe der FEM kann die Diffusion simuliert und mögliche Schwachstellen erkannt werden. Um weitere relevante Ergebnisse zu erhalten, werden teilweise neue Messmethoden und Prüfgeräte entwickelt wie z.B. die Methode der ortsaufgelösten, dynamischen Indentation (Bild 5). Eine Übersicht der bisherigen Ergebnisse ist auf dem folgenden Poster dargestellt.